Basisdemokratie und Qualitätssicherung (sowas von OT!)
Verfasst: Fr Feb 14, 2020 6:30 pm
Kürzlich hatte ich mal ein bisschen Zeit. Die habe ich mir mit dem Einstellen von Wikipedia-Artikeln vertrieben. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse reichen für den Rest meines Lebens sicher aus. Da ich meine Weisheit gern mit anderen teile, hier ein kleiner Erfahrungsbericht: Vorausschicken darf ich, dass ich die Mindestqualifikation zum Einstellen vor Wiki-Artikeln - wenn auch knapp - mitbringen dürfte: Ich kann lesen und schreiben - und sogar ein bisschen rechnen. Über das, worüber ich in Wikipedia schreibe, habe ich auch schon das eine oder andere gelesen oder zumindest gehört. So kam dann in meinem Leben eins zum anderen: Der Studienabschluss führte zur Promotion, und die wieder dazu, dass ich wissenschaftliche Monografien und Dutzende Aufsätze in Fachzeitschriften und Sammelbänden absonderte. Die Besprechungen meiner Elaborate in der Fachliteratur waren gut. Man wird also sagen können, dass ich zumindest eine Ahnung habe, worüber ich schreibe, auch wenn mir ein Lehrstuhl an einer Universität versagt blieb. Darauf darf ich in meinem vorgerückten Alter auch nicht mehr hoffen.
Trotz dieses Mangels habe ich mich erkühnt, einige Artikel bei Wikipedia über Themen einzustellen, die mich in den vergangenen fünf Jahren viel Recherchearbeit in diversen Staatsarchiven gekostet hat. Siebenmal klappte das Einstellen der Artikel bestens. Ich unterflog wohl das Qualitätssicherungs-Radar von Wikipedia. Beim achten Artikel haben sie mich dann aber mit einer vollen Breitseite erwischt: Besagter WP-Beitrag stand nur Minuten im Netz, dann hatte ich schon eine Löschdiskussion wegen mangelnder Qualität und fehlender Relevanz meines Themas am Hals. Natürlich verstehe ich, dass ein Nazi-Bürgermeister, der das größte Rüstungsprojekt zwischen 1933 und 1945 in Baden umsetzen half, es nicht mit der Bedeutung eines Daniel Küblböck aufnehmen kann. Ok, OK, aber ein kleiner Artikel müsste doch drin sein - oder? Wohl eher nicht! Die Löschungs-Debatte verlief und verläuft noch immer gespenstisch. Natürlich bin ich dafür, dass man Qualität sichert. Es drängt sich mir aber doch immer mehr der Eindruck auf, dass es dem Lösch-Antragsteller in erster Linie darum ging und geht, sich mit einer möglichst großen Zahl gelöschter Artikel zu profilieren. Im Verlaufe der Diskussion haben Leute über Relevanz und Qualität meines Beitrags geurteilt, die fachlich absolut keinen Schimmer haben. Am Ende einer wilden Diskussion, die an frühere AStA-Zeiten gemahnt, wird dann abgestimmt. Und das soll Qualitätssicherung sein? Manche Diskussionsbeiträge haben ein regelrecht unterirdisches "Stammtischniveau". Und diese schimmerlosen Antragsteller und die mit ihnen verbündeten Helfer befinden dann - unter Zuhilfenahme von an den Haaren herbeigezogenen Argumenten - darüber, was in WP erscheint? Zum Verzweifeln ist, dass man mit sachlichen Argumenten nicht durchdringen kann. Eine Recherche bei Wikipedia ergab übrigens, dass ich mit meinen Erfahrungen nicht völlig alleine dastehe.
Mein Bild von Wikipedia muss ich wohl anpassen. Nach außen hin wirkt das alles wunderbar basisdemokratisch. Das mag zu einem Teil auch so sein. Ein Teil der Wahrheit ist aber auch, dass da eine Gruppe von Oberzensoren darüber urteilt, welche Inhalte reindürfen - und welche nicht. Ihre Motive und ihre Legitimation bleiben zumindest fragwürdig. Die gemachten Erfahrungen bringen aber auch etwas Positives mit sich: Ich kann mich ungestört in die Arbeiten für meine nächste Publikation stürzen. Die erscheint - wie immer - gedruckt. Ich bin eben doch ein zutiefst analoger Mensch.
Ich hör' schon auf!
Beste Grüße
Wolf-Ingo
Trotz dieses Mangels habe ich mich erkühnt, einige Artikel bei Wikipedia über Themen einzustellen, die mich in den vergangenen fünf Jahren viel Recherchearbeit in diversen Staatsarchiven gekostet hat. Siebenmal klappte das Einstellen der Artikel bestens. Ich unterflog wohl das Qualitätssicherungs-Radar von Wikipedia. Beim achten Artikel haben sie mich dann aber mit einer vollen Breitseite erwischt: Besagter WP-Beitrag stand nur Minuten im Netz, dann hatte ich schon eine Löschdiskussion wegen mangelnder Qualität und fehlender Relevanz meines Themas am Hals. Natürlich verstehe ich, dass ein Nazi-Bürgermeister, der das größte Rüstungsprojekt zwischen 1933 und 1945 in Baden umsetzen half, es nicht mit der Bedeutung eines Daniel Küblböck aufnehmen kann. Ok, OK, aber ein kleiner Artikel müsste doch drin sein - oder? Wohl eher nicht! Die Löschungs-Debatte verlief und verläuft noch immer gespenstisch. Natürlich bin ich dafür, dass man Qualität sichert. Es drängt sich mir aber doch immer mehr der Eindruck auf, dass es dem Lösch-Antragsteller in erster Linie darum ging und geht, sich mit einer möglichst großen Zahl gelöschter Artikel zu profilieren. Im Verlaufe der Diskussion haben Leute über Relevanz und Qualität meines Beitrags geurteilt, die fachlich absolut keinen Schimmer haben. Am Ende einer wilden Diskussion, die an frühere AStA-Zeiten gemahnt, wird dann abgestimmt. Und das soll Qualitätssicherung sein? Manche Diskussionsbeiträge haben ein regelrecht unterirdisches "Stammtischniveau". Und diese schimmerlosen Antragsteller und die mit ihnen verbündeten Helfer befinden dann - unter Zuhilfenahme von an den Haaren herbeigezogenen Argumenten - darüber, was in WP erscheint? Zum Verzweifeln ist, dass man mit sachlichen Argumenten nicht durchdringen kann. Eine Recherche bei Wikipedia ergab übrigens, dass ich mit meinen Erfahrungen nicht völlig alleine dastehe.
Mein Bild von Wikipedia muss ich wohl anpassen. Nach außen hin wirkt das alles wunderbar basisdemokratisch. Das mag zu einem Teil auch so sein. Ein Teil der Wahrheit ist aber auch, dass da eine Gruppe von Oberzensoren darüber urteilt, welche Inhalte reindürfen - und welche nicht. Ihre Motive und ihre Legitimation bleiben zumindest fragwürdig. Die gemachten Erfahrungen bringen aber auch etwas Positives mit sich: Ich kann mich ungestört in die Arbeiten für meine nächste Publikation stürzen. Die erscheint - wie immer - gedruckt. Ich bin eben doch ein zutiefst analoger Mensch.
Ich hör' schon auf!
Beste Grüße
Wolf-Ingo